Als erste hessische Kommune hat Mörfelden-Walldorf seine Kläranlage mit einer vierten Reinigungsstufe aufgerüstet, am 7. Juli ist sie mit Pulveraktivkohle und Tuchfiltration in Betrieb gegangen. Im Rahmen der Spurenstoffstrategie Hessisches Ried hat das Land Hessen die Maßnahme mit einer Zuwendung von 4,6 Millionen Euro und 70 Prozent der förderfähigen Kosten gefördert.
Umweltministerin Priska Hinz erklärte: „Wir sorgen für sauberes Trinkwasser. Gerade das Hessische Ried ist dafür besonders wichtig. Die Erfahrungen auf der Kläranlage Mörfelden-Walldorf kann anderen Kommunen und Betreibern bei zukünftigen Planung helfen.“ Im Ried werden ca. 25 Prozent des Trinkwassers in Hessen aus dem Grundwasser des Hessischen Rieds gewonnen. Umso wichtiger ist es, dieses Wasser sauber zu halten.
Bisher gelangen über die mit Abwasser belasteten Fließgewässer immer noch Spuren von Arzneimitteln, Hormonen, Haushalts- und Industriechemikalien, Pflanzenschutzmitteln und Bioziden, sogenannte „Spurenstoffe“, ins Grundwasser. Dem steuert das Land Hessen seit 2018 mit der „Spurenstoffstrategie Hessisches Ried“ entgegen. Der Ausbau ausgewählter kommunaler Kläranlagen mit neuer vierter Reinigungsstufe ist dabei eine von zahlreichen Maßnahmen, die auch an der Quelle und bei der Anwendung ansetzen.
Spurenstoffstrategie: Hessisches Ried im Fokus
Neben der nun in Betrieb gegangenen Kläranlage in Mörfelden-Walldorf sind weitere sechs Kläranlagen ausgewählt, die zukünftig mit einer vierten Reinigungsstufe ausgerüstet werden sollen: Kläranlage Bickenbach (befindet sich im Bau), Büttelborn (Zuwendungsbescheid erteilt, in Planung), Darmstadt (befindet sich in Planung), Griesheim (in Planung), Langen (in Planung) und Weiterstadt (in Planung). Derzeit baut auch die Firma Merck in Darmstadt eine vierte Reinigungsstufe auf ihrer Industriekläranlage. Diese soll Ende 2023 in Betrieb gehen und wird ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zur Reinhaltung der Fließgewässer im Ried leisten.
Was bringt die 4. Stufe zusätzlich?
Die vierte Reinigungsstufe der Kläranlage Mörfelden-Walldorf schließt an die bisher üblichen drei Reinigungsstufen einer Kläranlage an. Mit den klassischen Behandlungsstufen werden hauptsächlich Nährstoffe im Abwasser reduziert. Mit der vierten Stufe ist es möglich, zusätzlich sogenannte anthropogene Spurenstoffe (zum Beispiel Arzneimittel- und Hormonrückstände) abzubauen und weitgehend aus dem Abwasser zu entfernen. Um eine möglichst breite Stoffpalette zu erfassen, lassen sich verschiedene Verfahrensarten auch kombinieren. Aus diesem Grund hat man sich bei der Anlage in Mörfelden-Walldorf für eine kombinierte Behandlung mit Ozon (letzte Phase der Inbetriebnahme), Pulveraktivkohle und einer abschließenden Tuchfiltration entschieden. „Damit ist die Kläranlage in Mörfelden-Walldorf nicht nur die erste in Hessen mit einer vierten Reinigungsstufe, sondern auch mit dieser Verfahrenskombination einzigartig in Deutschland“, freute sich Erster Stadtrat Karsten Groß.
Hessen bei Planung fortgeschritten
Hessen liegt mit dem aktuellen Bau von drei Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe und der Planung von weiteren vier vierten Reinigungsstufen bundesweit direkt hinter Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Aktuell überlegt auch die Stadt Frankfurt, eine vierte Reinigungsstufe zu planen, und die Stadt Wiesbaden hat an einem Forschungsvorhaben zu dem Thema teilgenommen.
Hintergrund:
Ein flächendeckender Ausbau der hessischen kommunalen Kläranlagen ist nicht zuletzt aufgrund der hohen Kosten derzeit nicht vorgesehen und unter Umweltgesichtspunkten auch nicht notwendig. Aktuell werden auf EU-Ebene mit der Kommunalabwasserrichtlinie und der Änderung der Wasserrahmenrichtlinie neue rechtliche Regelungen beraten. Diese umfassen auch Vorgaben für den Bau einer vierten Reinigungsstufe auf Kläranlagen. Insbesondere große Kläranlagen ab 100.000 Einwohnenden und Kläranlagen in sensiblen Gebieten sollen zukünftig verbindlich mit einer vierten Reinigungsstufe ausgerüstet werden. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen sieht der Vorschlag der Kommunalabwasserrichtlinie die Umsetzung des Verursacherprinzips durch die Einführung der Erweiterten Herstellerverantwortung vor.