Das Land Hessen hat im Rahmen seiner Spurenstoffstrategie Hessisches Ried das Monitoring der stofflichen Belastung des Landgrabensystems und des von ihm beeinflussten Grundwassers in den letzten Jahren durch die Bundesanstalt für Gewässerkunde in Kooperation mit dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie mittels der sogenannten Non-Target-Analytik weiter untersuchen lassen. Die Non-Target-Analytik ist eine innovative Methode, mit der auch unbekannte Substanzen in einer Probe untersucht werden, ohne dass vorher genau festgelegt werden muss, nach welchen Substanzen gesucht wird.
Ziel war es, bislang noch unbekannt gebliebene Spurenstoffe in den Gewässern des Hessischen Rieds, die insbesondere aus Kläranlagen eingetragen werden, zu identifizieren und deren Menge zu analysieren, um so eine Grundlage für die Bewertung von deren Relevanz für den Gewässerschutz zu schaffen. Der Abschlussbericht der Studie liegt nun vor und wurde heute im Rahmen einer Veranstaltung des Dialogforums „Spurenstoffe im Hessischen Ried“ einer Fachöffentlichkeit vorgestellt.
Ergebnisse der Untersuchungen
Im Rahmen der Untersuchungen konnten 152 Substanzen im Grundwasser direkt über den Abgleich mit einer Datenbank identifiziert werden. Beim Großteil dieser identifizierten Substanzen handelt es sich um organische Spurenstoffe, die in der Regel aus kommunalen Kläranlagen eingetragen werden und den Stoffgruppen Arzneistoffe, Haushaltschemikalien und Pestiziden zuzuordnen sind. Einige der identifizierten Substanzen stammen ausschließlich aus industriellen Prozessen.
In der vorliegenden Studie konnten 90 Prozent der im Grundwasser identifizierten Substanzen noch im Fließgewässersystem nachgewiesen werden. Aufgrund der langen Verweilzeiten des Grundwassers im Untergrund können die aktuellen Befunde im Grundwasser auch aus länger zurückliegenden Einträgen herrühren.
Für über die Hälfte der 152 Substanzen konnten Quantifizierungen vorgenommen werden, wobei 20 Substanzen in einer Größenordnung von über 1,0 µg/L gefunden wurden. Darunter befinden sich überwiegend Substanzen aus der Stoffgruppe der Arzneistoffe bzw. deren Abbauprodukten, deren Eintrag hauptsächlich über kommunale Kläranlagen erfolgt, aber auch einige wenige Substanzen, die auf Einträge aus einer Industriekläranlage im Hessischen Ried zurückzuführen sind.
Schlussfolgerungen
Mit der Untersuchung wurde erneut deutlich, dass die im Rahmen der Umsetzung der Spurenstoffstrategie Hessisches Ried vorgesehenen bzw. bereits ergriffenen Maßnahmen, wie der Bau von vierten Reinigungsstufen auf Kläranlagen zur Spurenstoffelimination richtig und notwendig sind. Im Ried sind inzwischen drei Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe nachgerüstet worden, und für sechs Kläranlagen ist dies in konkreter Planung. Damit wird zukünftig das Abwasser der in den Landgraben einleitenden Kläranlagen über vierte Reinigungsstufen gereinigt.
Die nun vorliegenden Untersuchungsergebnisse beruhen auf Gewässerproben aus dem Jahr 2020, also vor Inbetriebnahme der bei den drei Kläranlagen neu errichteten vierten Reinigungsstufen im Ried.
Ergänzend werden im Rahmen des Dialogforums „Spurenstoffe im Hessischen Ried“ weitere Maßnahmen zur Reduktion der Spurenstoffeinträge an der Eintragsquelle und bei der Anwendung geplant und umgesetzt.
Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse sollen, soweit diese nicht bereits vorliegen, öko- und humantoxikologische Relevanzbewertungen der gefundenen Substanzen durch das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie veranlasst werden. Die identifizierten Substanzen werden aus Vorsorgegründen auch den potenziell betroffenen Wasserversorgern im Hessischen Ried für deren Untersuchungen weitergegeben. Zudem soll an der weiteren Aufklärung von im Rahmen der Untersuchung unklar gebliebenen Einträgen und Eintragspfaden gearbeitet werden.
Hintergrund
Im Hessischen Ried liegt eine besondere wasserwirtschaftliche und hydrogeologische Situation vor. Diese zeichnet sich einerseits dadurch aus, dass einige Fließgewässer bei Niedrigwasser zu fast 100 Prozent aus Einleitungen von geklärtem Abwasser bestehen. In diesem Abwasser sind Spurenstoffe wie Arzneistoffe, Haushalts- und Industriechemikalien und Pflanzenschutzmittel messbar, die durch Kläranlagen ohne vierte Reinigungsstufe nicht oder nicht vollständig eliminiert werden können und nach geltendem Recht nicht müssen. Gleichzeitig versickert im Hessischen Ried aufgrund der hydrogeologischen Bedingungen Wasser aus Oberflächengewässern in Teilbereichen in das Grundwasser. Andererseits sind die Grundwasservorkommen im Hessischen Ried von großer Bedeutung, denn rund 25 Prozent des Trinkwassers wird hier gewonnen.
Vor diesem Hintergrund wurde die Spurenstoffstrategie für das Hessische Ried vorgelegt, die Maßnahmen zur Spurenstoffreduktion durch den Ausbau einer Reihe von Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe, aber insbesondere auch an der Quelle und bei der Anwendung vorsieht. Unter der vierten Reinigungsstufe versteht man einen zusätzlichen Reinigungsschritt in der Klärtechnik.
Als begleitende Maßnahme sieht die Spurenstoffstrategie die Fortsetzung des Monitorings von Abwässern, Oberflächengewässern, Grund- und Rohwässern hinsichtlich ihrer Belastungen mit Spurenstoffen vor. Damit soll zum einen die Datengrundlage für die Entscheidung über und Ausgestaltung von Maßnahmen weiter verbessert werden und zum anderen die Wirkungen von Maßnahmen beobachtet und darauf aufbauend bewertet werden.
Mit der vorgelegten „Studie zur chemischen Charakterisierung und Quantifizierung bisher nicht bekannter Stoffe in Wässern des Landgrabensystems (Hessisches Ried)“ wurde in Zusammenarbeit mit Betreibern der im Einzugsgebiet liegenden Kläranlagen versucht, die mittels einer Non-Target-Analytik gefundenen Stoffe zu identifizieren und zu quantifizieren, um sie anschließend öko- und humantoxikologisch bewerten zu können.
Weiterführende Informationen
Die Studie ist in Kürze unter www.hlnug.deÖffnet sich in einem neuen Fenster verfügbar.