„Wer seine Stromrechnung nicht bezahlen kann, dem wird der Saft abgedreht. Ohne Licht, ohne Internet, ohne Waschmaschine, ohne Möglichkeit zu kochen, wird eine sowieso schon schwierige Situation noch einmal verschärft. Jährlich sind mehr als 300.000 Haushalte von solchen Stromsperren betroffen. Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürgern, die mit finanziellen Problemen kämpfen, nicht noch mehr Steine in den Weg gelegt werden. Deshalb bringen wir diese Woche einen entsprechenden Antrag bei der Verbraucherschutzministerkonferenz ein. Aus unserer Sicht braucht es einen höheren Schwellenwert, ab dem eine Stromsperre verhängt wird, außerdem sollten die Regelungen bei Härtefällen und für Ratenzahlungen erweitert werden. Dazu fordern wir die Bundesregierung auf“, sagte Hessens Verbraucherschutzministerin Priska Hinz heute in Wiesbaden. Die Verbraucherschutzministerkonferenz tagt vom 5. bis 7. Mai.
Das Verbraucherzentrale Hessen macht sich seit Jahren für Lösungen stark, um Sperren abzuwenden und begrüßt den Vorstoß Hessens. Die Verbraucherzentrale berät Verbraucherinnen und Verbraucher im Rahmen des vom Verbraucherschutzministerium geförderten Projekts „Hessen bekämpft Energiearmut“. Die Erfahrungen aus der Beratung zeigen, dass die Ursachen von Stromsperren vielfältig und komplex sind. In Zeiten von Corona hat sich die Situation aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen noch einmal verschärft. Entspannung ist in Zeiten hoher Energiepreise nicht in Sicht. Dabei sind es nicht nur Menschen mit geringem Einkommen, die ihre Stromkosten nicht zahlen können. „Persönliche Krisen, Krankenhausaufenthalte oder hohe Nachzahlungen nach jahrelanger Fehlschätzung können unter anderem dazu führen, dass Verbraucher ihre Stromkosten nicht begleichen können,“ sagt Phillip Wendt, Vorstand der Verbraucherzentrale Hessen.
Bereits ab einem Zahlungsrückstand von 100 Euro darf ein Grundversorger die Energielieferung unterbrechen. Dieser Schwellenwert wurde trotz steigender Preise seit 15 Jahren nicht mehr angepasst. In Anbetracht der verhältnismäßig hohen Stromkosten kann ein durchschnittlicher Haushalt mit einem Jahresstromverbrauch von 4.500 Kilowattstunden heutzutage bereits bei einem Zahlungsverzug in Höhe von nur einem einzigen Monatsabschlag in eine Sperrsituation geraten. Deshalb fordert Hessen bei der Verbraucherschutzministerkonferenz eine zeitgemäße Erhöhung des Schwellenwertes. Der Antrag sieht außerdem vor, gesetzlich klar zu definieren, was Anbieter bei der Härtefallprüfung berücksichtigen sollen. Haushalte mit Hochschwangeren, Familien mit Kleinkindern sowie chronisch Kranken oder älteren Menschen sollten hier besonders geschützt werden.
Hessen schlägt ebenfalls vor, Voraussetzungen festzulegen, die zu einem Ruhen des Sperrverfahrens führen müssen, zum Beispiel der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung. „In unserer Beratungspraxis zeigt sich immer wieder, dass viele Anbieter trotz vereinbarter Ratenzahlung nicht zur unverzüglichen Wiederherstellung der Versorgung bereit sind, sondern aufgrund der aktuellen Gesetzeslage auf den Ausgleich des kompletten Zahlungsrückstandes zuzüglich der teils erheblichen Kosten der Entsperrung bestehen. Dies stellt für Verbraucherinnen und Verbraucher häufig eine aussichtslose Situation dar. Auch hier muss der Gesetzgeber nachjustieren“, erläutert Wendt.