„Nachhaltiger Weinbau hat Zukunft. Er ist Garant für Qualitätsprodukte, Genuss und Erhalt einer ganz besonderen Kulturlandschaft, die auch Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten ist“, das bekräftigte Hessens Landwirtschaftsministerin Priska Hinz beim gemeinsamen Besuch mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf dem Weingut Diefenhardt in Eltville. Hinz und Özdemir tauschten sich mit dem Präsidenten des Deutschen Weinbauverbandes, Klaus Schneider, dem Präsidenten des Rheingauer Weinbauverbandes, Peter Seyffardt, und mit dem Vorsitzenden des Weinbauverbandes der Hessischen Bergstraße, Otto Guthier, über Zukunftsfragen für den Weinbau aus.
„Deutschland ohne Weinanbau ist gar nicht denkbar, das ist Heimat und Tradition und das gilt es zu erhalten. Die Herausforderungen, vor denen die Winzerinnen und Winzer stehen, sind gleichwohl groß. Die Folgen der Klimakrise – Trockenheit und Extremwetterereignisse – machen vielen Betrieben zu schaffen und auch nachhaltiger Pflanzenschutz sowie veränderte Marktbedingungen fordern sie heraus. Ich bin aber überzeugt, dass wir diese Herausforderungen im Dialog angehen und vor allem meistern können. Ich begrüße es ausdrücklich, dass meine Kollegin Priska Hinz hier im Dialog mit der Weinanbaubranche nach guten Lösungen sucht. Wichtig ist, dass auch im Weinbau das Schützen und das Nutzen Hand in Hand gehen. Hier stehen wir an der Seite der Winzerfamilien – etwa wenn es darum geht, zu praxistauglichen Regeln beim Pflanzenschutz zu kommen. Dafür setze ich mich auch in Brüssel bei der EU-Kommission ein, die zwar die richtigen Ziele setzt, aber übers Ziel hinauszuschießen droht. Bei der SUR sehe ich an relevanten Stellen Veränderungsbedarf, etwa bei der Definition der ökologisch sensiblen Gebiete und auch beim Referenzjahr. Außerdem müssen die Maßnahmen im Verhältnis stehen mit dem Aufwand der Betriebe und Behörden“, so Cem Özdemir.
Der Präsident des Deutschen Weinbauverbandes, Klaus Schneider, verwies darauf, dass die Zukunft des europäischen Ökoweinbaus hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Rentabilität abgesichert werden muss. „Nur so ist der Ausbau der ökologisch bewirtschafteten Fläche in Deutschland auf 30 Prozent bis 2030 zu erreichen. Dazu kann und will der (Öko-)Weinbau seinen Beitrag leisten. Dafür braucht er aber ein Bündel an Maßnahmen, wie die Anbaubedingungen weiter zu optimieren, den Anteil an pilzwiderstandsfähigen Rebsorten zu erhöhen, Prognosemodelle weiter zu verbessern, und im Bedarfsfall die Handlungsoptionen für den Ökoweinbau im Pflanzenschutz durch die Zulassung von Kaliumphosphonat so auszugestalten, dass der Ökoweinbau in allen Weinbauregionen ökonomisch erfolgreich und nachhaltig betrieben werden kann. Nach den ersten Infektionen von Peronospora aufgrund der feuchten Witterung im Mai ist die Lage im Ökoweinbau aufgrund der derzeitigen Trockenheit aktuell wieder entspannter“, so Präsident Schneider.
Der Präsident des Rheingauer Weinbauverbandes, Peter Seyffardt, ergänzte: „Es ist besser, konstruktiver und der Sache förderlicher sich zu unterhalten und gemeinsam an den Lösungen für die Zukunft zu arbeiten, als Fronten aufzubauen. Es gilt unsere wertvolle Kulturlandschaft aufrecht zu erhalten, die eine wichtige Basis für die wirtschaftliche Stärke unserer Region darstellt.“
Für Otto Guthier, Präsident des Weinbauverbandes Hessische Bergstraße, stand vor allem die Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) im Vordergrund der Gespräche: „Auch im kleinsten deutschen Anbaugebiet, der Hessischen Bergstraße, geht es bei den Vorgaben der EU-Kommission zum Thema Pflanzenschutz um die Zukunft und den Erhalt der Jahrhunderte alten Kulturlandschaft an der Bergstraße.“
22 Prozent der Rebfläche Hessens ökologisch bewirtschaftet
„Hessen als Weinland ist schon jetzt auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft“, betonte Ministerin Hinz. 22 Prozent der Rebfläche Hessens wird ökologisch bewirtschaftet. Das Land unterstütze darüber hinaus alle Winzerinnen und Winzer bei dem erforderlichen Weg zur Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden, die im Weinbau wegen der Anfälligkeit von Trauben für Pilzkrankheiten besonders häufig zum Einsatz kommen. „Mit unserem Pestizidreduktionsplan setzen wir auf gezielte Beratung“, erklärte die Ministerin. Die Landesregierung stärke zudem die Rolle widerstandsfähiger und krankheitstoleranter Rebsorten in Hessen. So wird im Rahmen der derzeit laufenden Fortschreibung des „Hessischen Förderungs- und Entwicklungsprogramms Wein“ der Anbau dieser Sorten besonders gefördert werden.
Auch der aufwändige Steillagenanbau wird gestärkt. Steillagen sind mit ihren ökologischen Nischen wie Felselementen oder historische Trockenmauern ein besonders wertvolles Agrarökosystem. „Die aufwändigen Arbeiten in der Steillage wollen wir künftig besser honorieren und die Beihilfen im Falle einer Hangneigung von mindestens 40 Prozent ab 2025 verdoppeln“, erklärte die Ministerin.
Zudem kündigte Ministerin Hinz an, auch zukünftig die seit vielen Jahren erfolgreich eingeführte Förderung der Pheromonanwendung zur Traubenwicklerbekämpfung im hessischen Weinbau fortzusetzen. „Die Pheromonanwendung im Weinbau leistet einen wertvollen Beitrag für eine umweltschonende und rein biologische Regulierung des Traubenwicklers. Die Methode hat sich als wirksame Alternative zur Anwendung chemischer Insektizide auf inzwischen rund 80 Prozent der hessischen Rebflächen etabliert“, sagte die Landwirtschaftsministerin.
Klimakrise betrifft auch den Weinbau
Während des Rundgangs durch die Rheingauer Weinberge stand auch der fachliche Austausch zu den Auswirkungen der Klimakrise auf den Weinbau im Fokus der Gespräche. „Viele Jahre haben die Reben von steigenden Temperaturen in unseren Weinbaugebieten profitiert, aber inzwischen ist ein Kipppunkt erreicht: Für einige unserer Rebsorten wird es künftig zu warm und Extremwettereignisse nehmen zu. Unsere Winzerinnen und Winzer müssen einen immer stärkeren Aufwand betreiben, um ihre Ernte vor Hagel, Dürre und Spätfrost zu schützen“, führte Ministerin Hinz aus.
Um den zunehmenden Wusch nach dem Aufbau moderner und effizienter Bewässerungsinfrastruktur aufzugreifen, habe das Hessische Landwirtschaftsministerium eine Bewässerungsstudie beim bundeseigenen Thünen-Institut in Auftrag gegeben. „Unser Ziel ist es, eine belastbare Datenbasis zur aktuellen Lage, zum zukünftigen Bedarf, zur ökonomischen Auswirkung und zu zukünftig notwendigen Anpassungsmaßnahmen in der Landwirtschaft zusammen zu tragen“, erklärte die Ministerin. Im Rahmen der Studie sollen auch mögliche alternative Wasserressourcen neben der Nutzung von Grund- und Oberflächenwasser identifiziert werden. Vor dem Hintergrund der zunehmend knapper werdenden Ressource Trinkwasser betonte Ministerin: „Wir müssen daran arbeiten, die Effizienz unserer Bewässerungsmaßnahmen zu steigern und durch Anpassungen in den Bewirtschaftungssystemen so wenig wie möglich auf Zusatzbewässerung zurückgreifen zu müssen. Im Weinbau sehe ich hier ein großes Potenzial in der künftigen Auswahl trockentoleranter Rebsorten, der Umsetzung wassersparender Bodenpflegesysteme oder der Optimierung des Wasserrückhalts und der Versickerung auf den Weinbergen.“
Hintergrund:
In Hessen gibt es derzeit rund 900 Weinbaubetriebe, die auf einer Rebfläche von 3.670 Hektar wirtschaften (Erhebungsstand 31. Juli 2022).
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