Mit einem landesweiten Hilfsprogramm für windenergiesensible Arten wird die Hessische Landesregierung den Schutz für Arten wie Schwarzstorch, Rotmilan und Abendsegler ausbauen. Der Bundesverband WindEnergie e.V. sowie die Naturschutzverbände NABU Hessen, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland in Hessen (BUND Hessen) und die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) arbeiten hierbei mit und haben sich gemeinsam für einen naturverträglichen Windenergieausbau ausgesprochen. Ziel ist es, die Lebensräume der windenergiesensiblen Vögel und Fledermäuse aufzuwerten, ihre Nester und Kinderstuben zu schützen. Damit machen wir deutlich, dass die Landesregierung entschlossen ist, den notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien und die Verbesserung der Situation der besonders betroffenen Arten gleichermaßen voranzutreiben.
„Die Windenergie ist ein zentraler Baustein der Energiewende und damit der Bekämpfung der Klimakrise. Zwei Prozent der Landesfläche sind deshalb für Windenergieanlagen vorgesehen. Jeder Eingriff muss ausgeglichen werden. Wir gehen aber weit über diese gesetzliche Verpflichtung hinaus: Wir verbessern zusätzlich noch die Lebensbedingungen für Tiere, die besonders empfindlich auf Windenergieanlagen reagieren. Die Schutzmaßnahmen wollen wir flächendeckend in Hessen vorantreiben. Windenergie und Artenschutz schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Die Windenergie auszubauen und gleichzeitig mehr Artenschutz umzusetzen ist möglich“, erklärten Umweltministerin Priska Hinz und Energieminister Tarek Al-Wazir am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.
„Mit dem Hilfsprogramm für windenergiesensible Arten wollen wir zusammen mit Kommunal- und Privatwaldbesitzenden über den Vertragsnaturschutz Schutzzonen um die Wochenstuben und Horste von unter anderem Schwarzstörchen, Rotmilanen und Fledermäusen einrichten. Dort sollen dann keine Forstarbeiten mehr stattfinden, damit die Tiere in Ruhe ihre Jungen aufziehen können. Auch wollen wir die Forschung zu den Lebensräumen der windenergiesensiblen Arten ausbauen, um daraus Erkenntnisse für weitere Schutzmaßnahmen gewinnen zu können. Kartierungen werden uns dabei helfen, die Standortentwicklung im Blick zu behalten. Zusätzlich bauen wir die Biodiversitätsberatung beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen aus. Wir holen nämlich auch die Landwirtinnen und Landwirte mit ins Boot, die mit strukturreichen Feldern, Blühstreifen, Brachen und einer verbesserten Grünlandbewirtschaftung das Nahrungsangebot insbesondere für den Rotmilan deutlich verbessern können“, berichtet Umweltministerin Hinz.
„In einem landesweiten Gutachten identifizieren wir Maßnahmenräume für Rotmilan und Schwarzstorch als sogenannte windenergiesensible Arten. Diese Flächen werden dann in einem weiteren Schritt in den neu aufzustellenden Regionalplänen dauerhaft zu sichern sein“, sagte Al-Wazir zu einem derzeit neu erstellten Gutachten des Wirtschafts- und Energieministeriums, das eine wichtige Flächenkulisse auch für das neue Hilfsprogramm bildet. „Der Fokus liegt auf Lebensräumen, in denen schon jetzt schwerpunktmäßig Rotmilane und Schwarzstörche zu finden sind. Außerdem müssen sich die Flächen in ausreichend großem Abstand zu Windenergie-Vorranggebieten befinden. Der Schutz von Horsten und Nestern sowie dem daran angrenzenden Umfeld, in dem die Tiere ihre Nahrung finden, ist somit schon gesichert, bevor es überhaupt zu möglichen Planungen kommt. Mögliche Windenergieprojekte können dann mit mehr Planungssicherheit und effizienter umgesetzt werden.“
„Nur, wenn die betroffenen Tierarten in einen guten Erhaltungszustand gebracht und gesichert werden, können wir von einer naturverträglichen Energiewende sprechen“, so Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU Hessen stellvertretend für die mitwirkenden Naturschutzverbände NABU Hessen, BUND Hessen und HGON. Dafür seien enorme Anstrengungen des Landes notwendig, die hohen Ziele auch mit dem nötigen Personal und den finanziellen Mitteln auszustatten und auch eigene Landesflächen für neue Lebensräume zur Verfügung zu stellen.
Joachim Wierlemann, Vize-Präsident Bundesverband WindEnergie e.V. und Landesvorstand erklärt: „Auch in Hessen gilt es, die Akzeptanz für Windenergie zu steigern. Viele Arten sind durch die moderne Kulturlandschaft beeinträchtigt, wir wollen mit der Energiewende nicht nur das Klima schützen, sondern auch die Lebensräume aller Arten. Dafür müssen Biodiversität und Klima gleichermaßen geschützt werden. Beispielhaft wollen wir mit dem weiteren Ausbau der Windenergienutzung neue Wege für einen modernen Artenschutz aufzeigen und real einführen, d.h. Energiewende und Windenergieausbau sollten so naturverträglich wie möglich erfolgen.“
Hilfsprogramm für windenergiesensible Arten
Mit dem Programm werden Schutzmaßnahmen für von Windenergieanlagen beeinträchtigte Vogel- und Fledermausarten außerhalb von Windenergievorranggebieten umgesetzt.
Erste Maßnahmen werden im Staatswald seit diesem Frühjahr bereits durchgeführt: In einem Umkreis von 200 Metern um bekannte Wochenstuben der Mopsfledermaus werden zwischen April und Oktober grundsätzlich keine abgestorbenen Bäume mehr entfernt, da sich in der Rinde oder in Spalten weitere Wochenstuben befinden könnten. Davon profitieren auch viele Insekten, die in abgestorbenen Bäumen leben sowie verschiedene Waldvogelarten. Außerdem findet um alle bekannten mehrjährig besetzten Horste von Schwarzstörchen im Staatswald keine forstliche Nutzung mehr statt.
Weitere Maßnahmen werden folgen. Dazu gehören Untersuchungen zum Lebensraum und Verhalten des Großen und Kleinen Abendseglers. Rund um die bekannten Wochenstuben dieser beiden Fledermausarten sind ebenfalls Schutzzonen in der Planung. Gleiches gilt für die Mopsfledermaus. Für die Bechsteinfledermaus werden besonders geeignete Staatswaldbereiche identifiziert, die dann künftig fledermausfreundlich bewirtschaftet werden sollen. Für die Schutzzonen von Schwarzstorchhorsten außerhalb des Staatswaldes sollen ab dem kommenden Jahr langfristige Naturschutzverträge geschlossen werden. Für den Rotmilan stehen für die nächsten Jahre sogar bis zu 300 Horstschutzzonen in der Planung. Die Kommunal- und Privatwaldbesitzenden werden bei diesen Maßnahmen mit einbezogen. Dafür sollen Verträge geschlossen werden mit einem Nutzungsverzicht des Waldes in den Schutzzonen auf 10 Jahre. Auch für hessische Wespenbussarde wird ein Schutzkonzept erarbeitet.
Gutachten für Artenhilfsmaßnahmen von Windenergieprojekten
Das im Auftrag des Hessischen Wirtschafts- und Energieministeriums in Abstimmung mit dem Hessischen Umweltministerium vergebene Gutachten identifiziert geeignete Räume für naturschutzrechtlich erforderliche Ausgleichsmaßnahmen für die beiden maßgeblich von der Energiewende in Hessen betroffenen Vogelarten Rotmilan und Schwarzstorch. Insgesamt werden ca. 80.000 Hektar als besonders geeignet ermittelt, das ist doppelt so viel Fläche, wie die Vorranggebiete für Windenergieanlagen in Hessen.
„Das Ziel: Wir stärken Tierarten, die besonders von Windenergieanlagen betroffen sein können, um ihre Population zu stärken – und zwar dort, wo es bereits viele von einer Art gibt“, führte Al-Wazir aus. „Pro Regierungsbezirk sollen je drei große Gebiete ausreichend Platz für flexible Lösungen für den naturschutzrechtlich erforderlichen Ausgleich und Maßnahmen aus den Artenhilfsprogrammen bieten. Durch die räumliche Bündelung der verschiedenen Maßnahmen verstärken diese sich gegenseitig“, betonte Al-Wazir die weiteren Vorteile für den Artenschutz.
Die nach breitem Dialog mit Landesplanungs-, Naturschutz- und Genehmigungsbehörden sowie den Verbänden des Naturschutzes und der Windenergie identifizierten Regionen für die Artenschutzmaßnahmen sollen sich im Umfeld der Natura 2000-Gebiete befinden, in denen bereits viele Tiere der regionaltypischen Vogelwelt leben und aus denen heraus der nachhaltige Arterhalt langfristig gesichert werden kann. Das Gutachten beschreibt auch die hierfür geeigneten Maßnahmentypen.
Bereits mit der seit dem 01. Januar 2021 in Hessen in Kraft getretenen Verwaltungsvorschrift Naturschutz/Windenergie 2020 wurde ein wichtiger Baustein zur Vereinbarkeit von Energiewende und Naturschutz gelegt. In ihr werden viele Anstrengungen im Bereich des Arten- und Lebensraumschutzes auf der Genehmigungsebene entwickelt und angekündigt, so dass in Hessen durch besondere landesweite Maßnahmen zum Schutz der Arten über das rechtlich Gebotene hinausgegangen werden wird. Für die Landesregierung ist klar, dass der Kampf gegen das weltweite Artensterben und der Klimaschutz untrennbar miteinander verbunden sind und deswegen der Ausbau der Windenergie als tragende Säule der Energiewende nicht zu Lasten bedrohter Arten gehen darf und gleichzeitig gezeigt wird, dass Energiewende und Artenschutz sehr gut vereinbar sind.